Montag, 27. März 2017

Modernes Personalmanagement mit Räumen zum Experimentieren? - 5 (+1) Frage/n zu den Erwartungen an das Personalmanagement - heute an Jana Schlegel

Über die Personaler und das Personalmanagement wird derzeit viel gesprochen - weniger wird mit den Personalern diskutiert. Bei diesen Diskussionen geht es die gegenwärtigen Prozesse und Leistungen aber zunehmend auch um die Perspektive von „HR“ insgesamt. Diese oft mit ungewohnter Schärfe vorgetragenen kontroversen Meinungen waren für mich Anlass, eine Interviewreihe mit Kunden, Partnern und Insidern des Personalmanagements zu starten. Heute spreche ich mit Jana Schlegel, Geschäftsführerin der Leipziger familienfreund KG. Die familienfreund KG hat es sich zum Ziel gesetzt, Arbeitgeber bei der Fachkräftesicherung gezielt und nachhaltig zu unterstützen. Hierfür ist das Unternehmen mit vielfältigen Informationen in den Social Media aktiv und zählt zum Kreis der aktiven Unterstützer der jährlichen HR Innovation Days an meiner Hochschule. Ich freue mich sehr, dass Jana Schlegel für dieses Interview zur Verfügung steht und danke ihr bereits jetzt herzlich für die Beteiligung. Ich bitte sie, sich kurz vorzustellen. Daran schließen sich dann meine Fragen an:

Jana Schlegel
Schlegel: Vielen Dank, Professor Wald, für die Fragen an mich in meiner Rolle als Geschäftsführerin vom Fachkräftesicherer. Seit der Gründung im Mai 2006 übe ich diese Funktion aus, nachdem ich gemeinsam mit meinem Partner Thomas Kujawa das Konzept vom zentralen Ansprechpartner auf wirtschaftlich tragfähige Füße gestellt habe. Nach einer technischen Ausbildung führte mich der Weg über die politische Elternarbeit und die Gründung einer Stiftung mit den lokalen Bündnissen in Kontakt. Im Rahmen der Arbeitsgruppe 'Familienfreundliche Personalarbeit' lernten wir sehr schnell eine neue Sicht auf die Vereinbarkeitsprobleme kennen - nämlich die Sicht der fachkräftesuchenden Arbeitgeber. Nun aber genug der Vorstellung. Ihre erste Frage bitte!

Wald: Vielen Dank für die kurze Vorstellung. Wie ist Ihre Position im Personalmanagement bzw. worin bestehen Ihre konkreten Schnittstellen zum Personalmanagement?
Schlegel: In erster Linie bin ich Geschäftsführerin und weniger im Management, also der Organisation von Personal zu Hause. Zu meinen Aufgaben gehört es immer wieder den Dschungel des Tagesgeschäftes zu verlassen und zu prüfen, ob wir noch in der richtigen Richtung unterwegs sind.  In unserer täglichen Praxis erleben wir leider zu oft, das Führung und Management verwechselt werden. Aus diesem Grund haben uns wir im letzten Jahr auch erstmals mit Workshops außerhalb unseres Hauptarbeitsgebietes an die Unternehmerinnen und Unternehmer im Raum Leipzig gewandt, die bisher mit strategischer Fachkräftesicherung kaum bzw. wenig Kontakt hatten.

Wald: Wie schätzen Sie den gegenwärtigen Status bzw. das Standing der Personaler insgesamt ein?
Schlegel: Zu unseren Kunden zählen in erster Linie kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Bei diesen gibt es selten Fachkräfte für den Umgang mit Personalfragen. In vielen Fällen wird dies von den Inhabern bzw. Angehörigen miterledigt. Durch unsere Netzwerkarbeit, z.B. im Unternehmensnetzwerk Erfolgsfaktor Familie, nehmen wir aber war, das es oft ein Bashing der Führungskräfte im Allgemeinen und Personalern im Besonderen gibt. Im Spannungsdreieck aus individualisierten Ansprüchen der Beschäftigten, Zunahme der  Digitalisierung und Beitragserbringung für den Gesamtertrag erscheint die Aufgabe auch mehr als undankbar und schier unlösbar.

Wald: Was meinen Sie, warum wird das Personalmanagement heute (trotzdem) so oft und teilweise heftig kritisiert?
Schlegel: Die Kritik kommt in vielen Fällen ursprünglich aus der Beraterecke. Um mehr Leistungen verkaufen zu können, werden mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln (Medizin, Psychologie, Marketing und nicht zuletzt viel Zeit) immer neue Tools und Checks entwickelt. Neben dem eigentlichen Tagesgeschäft sich den Bedürfnissen der Beschäftigten zu widmen, Einsätze zu planen, Weiterbildungen zu organisieren und weitere Kompetenzen ins Unternehmen zu holen, bleibt keine Zeit sich den permanenten Veränderungen in den Blogs, sozialen Netzwerken, Magazinen und Messen zu widmen. Kritik ist angebracht, wenn Prozesse fehlerhaft sind und der Umgang nicht  wertschätzend erfolgt. Natürlich gibt es neue, wissenschaftliche Ergebnisse. Die Inhaber von KMU sind Spezialisten auf ihrem Fachgebiet. Sie benötigen eine deutliche und klare Anleitung, wie neue Erkenntnisse umgesetzt werden können. Da Scheitern in Deutschland noch immer nicht erlaubt ist, finden wir 'Räume' in denen unter Anleitung eben dieser Berater experimentiert werden kann, als sehr nützlich.

Wald: Wo sehen Sie in der nächsten Zeit konkreten Änderungsbedarf bei Leistungen und Angeboten des Personalmanagements?
Schlegel: Ich habe es ja gerade kurz angerissen. Bedingt durch die gesellschaftlichen Veränderungen gibt es eine Menge Bewegung im Umgang mit den abhängig Beschäftigten. Ja, auch das Wording ändert sich und den Lesern haben sich gerade wahrscheinlich die Nackenhaare aufgestellt. In der heutigen Zeit spricht man eher von Mitarbeitenden oder Mitunternehmern. Letzteres natürlich nur, wenn es echte Mitarbeiterbeteiligung, sowohl im negativen als auch im positiven Fall, gibt. Dies konzeptionell und bis in die Praxis umzusetzen, ist eine Aufgabe des Personalmanagements.
Die Bedürfnisse der Menschen verändern sich, Werte werden neu definiert. Dies muss das Personalmanagement berücksichtigen. Die Haltung 'Früher war Schule auch Samstags.' hilft wenig. Aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten sein Talent einzubringen wird der Fachkräftemangel bei diesen Unternehmen sichtbar. Auch hier muss sich das Personalmanagement ändern und kann Impulse in die gesamte Organisation geben, um schlussendlich zum Erlös beizutragen.

Wald: Was werden die Schwerpunkte des Personalmanagements in 10 Jahren sein?
Schlegel: Diese Frage sollten Sie, sehr geehrter Professor Wald, lieber den Zukunftsforschern stellen. In Leipzig gibt es zum Beispiel den renommierten Trendforscher Sven Gabor Jansky (Wald: Leider stand dieser für ein Interview nicht zur Verfügung). Immer wieder hat er auch das Thema Arbeit in seinen Prognosen berücksichtigt. Der Blick beim Fachkräftesicherer richtet sich auf die nächsten drei bis fünf Jahre und da sehen wir die Individualisierung als einen Schwerpunkt. Wie beim Produktmarketing z.b. muss das Personalmarketing individueller auf die Wünsche und Sorgen der Kandidaten und Kompetenzträger eingehen. Und Kompetenzen hat jeder, auch der, der im Sortieren von Schrauben Erfüllung findet. Das Thema inklusiver Arbeitsmarkt wirft hier seine Schatten voraus. Und als letzten Punkt möchte ich den Themenkomplex der negativen Einkommenssteuer (BGE) anführen. Wie werden die Personalmanager jemanden motivieren für uns alle morgens um 3 Brötchen zu kneten? Provokant zurück gefragt: Muss es in 10 Jahren noch ein extra Personalmanagement geben? Oder gehört es als Querschnittsaufgabe nicht in alle Fachausbildungen?

Wald: Jetzt zur Frage 5+1 (für meine Alumni und Studierenden) Was empfehlen Sie jungen Personalern bzw. Studierenden, die eine Laufbahn im Bereich HR anstreben? Worauf sollten diese achten? Was ist und was wird wichtig?
Schlegel: Dazu kann ich leider nicht viel sagen, denn ich selbst sehe mich nicht als Personalerin. Im Rückblick auf meine eigene Karriere ist es mir immer wichtig gewesen, das zu tun, was mir Erfüllung bereitet. Abschlüsse und Scheine waren mir nie wichtig. Leider ist der Markt der Arbeitskräfte noch immer im vorigen Jahrtausend verhaftet. Ich habe mich immer darauf konzentriert, etwas an 'die' Gesellschaft zurückzugeben. So geben wir unter dem Namen Familienbüro Leipzig viele Informationen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie kostenfrei an jene weiter, die eben (noch) keinen familien- und lebensfreundlichen Arbeitgeber haben.

Wald: Sehr geehrte Frau Schlegel, ganz herzlichen Dank für die Antworten. Ich wünsche Ihnen viele Erfolge, Ideen und immer freundliche Kunden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen