Dienstag, 28. März 2017

Mediative Fähigkeiten und HR - 5 (+1) Frage/n zu den Erwartungen an das Personalmanagement - heute an Gernot Barth

Personaler und das Personalmanagement stehen im Mittelpunkt vieler Diskussionen - weniger diskutiert wird mit den Personalern. Bei diesen Diskussionen geht es die gegenwärtigen Prozesse und Leistungen aber zunehmend auch um die Perspektive von „HR“ insgesamt. Diese oft mit ungewohnter Schärfe vorgetragenen kontroversen Meinungen sind für mich Anlass, eine Interviewreihe mit Kunden, Partnern und Insidern des Personalmanagements zu starten. Heute spreche ich mit Dr. Gernot Barth, Pädagoge, Wirtschaftsmediator und Herausgeber der Fachzeitschrift "Die Mediation". Er hat sich zum Ziel gesetzt, Menschen und Organisationen beim Umgang und der Bewältigung von Konflikten zu unterstützen und Mediation als Konfliktlösungsmethodik als festen Bestandteil in Unternehmen und HR-Abteilungen zu verankern.  Ich freue mich deshalb sehr, dass Gernot Barth für dieses Interview zur Verfügung steht und danke ihm bereits jetzt herzlich für die Beteiligung. Ich bitte ihn, sich kurz vorzustellen. Daran schließen sich dann meine Fragen an:

Gernot Barth
Barth: Ich bin Jahrgang 1957 und habe ursprünglich Lehramt studiert, wurde zur Bildungstheorie promoviert und wurde an der Universität Erfurt habilitiert. Im Anschluss vertrat ich Professuren an den Universitäten Erfurt, Rostock, Braunschweig, und Chemnitz. Seit 2004 arbeite ich als Konfliktbearbeiter (Mediator/Moderator/Coach) sowohl in Unternehmen aber auch im  öffentlichen Bereich. Außerdem bilde ich an der Steinbeis-Hochschule bundesweit seit über 10 Jahren Mediatoren für die Wirtschaft aus. Als Vizepräsident und Geschäftsführer der Dachorganisation für Mediation in Deutschland, Deutsches Forum für Mediation e.V., engagiere ich mich für die Weiterentwicklung der Qualitätsstandards in der Mediation.

Wald: Vielen Dank für die kurze Vorstellung. Wie ist Ihre Position im Personalmanagement bzw. worin bestehen Ihre konkreten Schnittstellen zum Personalmanagement?
Barth: Ich werde von HR-Abteilungen beauftragt, Konflikte in Unternehmen zu bearbeiten, z.B. zwischen Mitarbeitern aber auch in Teams. Darüber hinaus führe ich Konflikttrainings durch und unterstütze auch betriebliche Wiedereingliederungsmaßnahmen. Mein Spezialgebiet sind hochstrittige Konflikte und Konflikte mit interkulturellem Hintergrund. Als Kommunikationsexperte nehmen HR-Abteilungen meine Dienstleistung insbesondere bei der Konzeption von Kommunikationsplänen und Change-Management-Projekten in Anspruch.

Wald: Wie schätzen Sie den gegenwärtigen Status bzw. das Standing der Personaler insgesamt ein?
Barth: Ich mache die Erfahrung, dass Personaler ihre Kompetenzen insbesondere durch die Matrix-Organisation von global aufgestellten Organisationen und die Einführung von HR Business Partnern nach Ulrich vor größere Herausforderungen gestellt werden. Das heißt, dass HR-Abteilungen eine zunehmende Einbindung in übergreifende Netzwerke und Fortbildungen benötigen, da sie verstärkt in Konflikt- und Verhandlungspositionen geraten, in dem sie, wenn sie nicht ausreichend vorbereitet sind, Gefahr laufen zum Spielball am Verhandlungstisch und zwischen den Fronten zerrieben zu werden.

Wald: Was meinen Sie, warum wird das Personalmanagement heute (trotzdem) so oft und teilweise heftig kritisiert?
Barth: Das hängt genau mit der zunehmenden Komplexität der Tätigkeitsbereiche der Personaler und der steigenden Zahl von Konflikten zusammen. Diese ergeben sich daraus, dass Mitarbeiter und Manager immer häufiger in Verhandlungspositionen geraten, die dann auch in eskalierten Konflikten enden können. Die frühere stärkere Verregelung von Arbeitsverhalten/Vertragsverhältnissen ist einer mehr auf freier Verhandlungsbasis basierenden Arbeitsweise gewichen. Dadurch wird vom Personalmanagement, aber auch von Arbeitnehmern und Arbeitgebern eine weitaus größere und bisher nicht gekannte Flexibilität verlangt, die im Zuge der Europäisierung und Globalisierung die HR-Abteilungen vor noch größere Herausforderungen stellt.

Wald: Wo sehen Sie in der nächsten Zeit konkreten Änderungsbedarf bei Leistungen und Angeboten des Personalmanagements?
Barth: In Zukunft werden Unternehmen stärker auf Konfliktmanagementsysteme bauen. Diese sind typischerweise als Querschnittsfunktion im HR-Bereich angesiedelt. Unternehmen wie SAP, e.on, die Deutsche Bahn und ZF Friedrichshafen haben auf diesem Gebiet bereits eine Vorreiterrolle eingenommen und innerbetriebliche Konfliktmanagementsysteme bzw. Konfliktlotsensysteme aufgebaut. Hierbei müssen HR-Abteilungen strategische Überlegungen einbeziehen, inwieweit sie die Kompetenzen im eigenen Haus vorhalten, oder mit externen Mediationsanbietern zusammenarbeiten wollen. ZF Friedrichshafen hat sich in Zusammenarbeit mit Steinbeis beispielsweise dafür entschieden, die Kompetenzen im eigenen Unternehmen aufzubauen. Natürlich ist dies auch immer abhängig von der Unternehmensgröße. Gleichwohl bedarf es meines Erachtens, wenn ich über meine Profession rede, aber der Entwicklung von mediativen Fähigkeiten im HR-Bereich.

Wald: Was werden die Schwerpunkte des Personalmanagements in 10 Jahren sein?
Barth: Durch die veränderten Bedingungen in der Arbeitsorganisationen und die globalen Veränderungen des Arbeitslebens, aber auch der Migrationsbewegungen sind aus meiner Sicht zwei Schwerpunkte im Personalmanagement zu erwarten: Flexibilität und Interkulturalität. Beide Themen sind maßgeblich mit dem Schwerpunkt Change Management verwoben. Hier muss das HRM in den nächsten 10 Jahren Strategien und Antworten finden. Diese finden sich in keinem Lehrbuch sondern müssen vollkommen neu gedacht werden, da wir sowohl aus gesellschaftlicher als auch arbeitsorganisatorischer Sicht vor großen Umbrüchen stehen.

Wald: Jetzt zur Frage 5+1 (für meine Alumni und Studierenden) Was empfehlen Sie jungen Personalern bzw. Studierenden, die eine Laufbahn im Bereich HR anstreben? Worauf sollten diese achten? Was ist und was wird wichtig?
Barth: In Sachen Kompetenz rate ich angehenden und jungen Personalern sich verstärkt mit den Themen Konfliktkompetenz und Umgang mit Interkulturalität auseinandersetzen. Hinsichtlich ihrer Einstellung und Haltung lege ich ihnen nahe die noch weit verbreitete Perspektive vom „Dorf“ Deutschland, in dem alles behütet und in festen geregelten Bahnen abläuft, zu erweitern und hin zum globalen „Dschungel“ zu erweitern, um für das Wirtschaftsleben in der globalen Welt gewappnet zu sein. Dabei sind eigene interkulturelle Erfahrungen sicher essentiell.

Wald: Sehr geehrter Herr Barth, ganz herzlichen Dank für die Antworten. Ich wünsche Ihnen viele Erfolge, jede Menge neue Ideen sowie immer aufgeschlossene Partner und Kunden.

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